Dirk Laabs: Staatsfeinde in Uniform

Das neueste Werk von Dirk Laabs ist bei Econ erschienen und behandelt nach dem Standardwerk über den NSU „Heimatschutz“ erneut die militante Rechte in der BRD – diesmal in Form von organisierten Rechtsextremisten in polizeilichen und militärischen Spezialeinheiten.

Ausführlich behandelt werden die schon bekannten Netzwerke im KSK und die daraus entstandenen Verbindungen Uniter, Nordkreuz u.a. Hier hatte die taz als erstes Presseorgan mit vielen investigativen Recherchen die faschistischen Organisierungen aus der Klandestinität hervorgeholt. Laabs Buch ist eine gute Zusammenfassung von vielen bekannten Informationen, was aber keine Kritik sein soll. Wie „Heimatschutz“ hat es die Qualität zum Standardwerk über diesen Komplex.

Die beschriebenen rechten Netzwerke werden von militärischen und polizeilichen Eliten betrieben, hervorragend ausgebildet und bestens bewaffnet. Den meisten von uns sind die vielen „Einzelfälle“  (auf #Entnazifizierungjetzt.de gut dokumentiert) bestens bekannt, wo haufenweise illegale Waffen, Sprengstoff und Munition bei Soldaten und Polizisten privat aufgefunden wurden. Das angebliche Narrativ von harmlosen „Preppern“ entlarvt Laabs zutreffend als Schutzbehauptung, es ging und geht diesen Gruppen um nichts weniger als einen Putsch von rechts. Angelegte Todeslisten und das Beschaffen von Leichensäcken neben militärischer Logistik sprechen eine klare Sprache. Für den Putsch waren bereits an der Uniform zu tragende Patches entworfen, die nicht erst am Tag X als Erkennungszeichen dienen sollen. BFE-Polizisten, Angehörige der Luftwaffe, Angehörige der Feuerwehr und natürlich Bundeswehr-Soldaten nähten dieses Patch an ihre Uniformen – einige waren eventuell nicht über die gesamte Dimension informiert.

Das Buch beschreibt das ewige Problem der Bundeswehr – speziell ihrer Eliteeinheiten – mit Neonazis. Bereits Michael Kühnen – weitgehend unumstrittener Neo Nazi-Führer in den 1980er Jahren – und Meinolf Schönborn (Kopf der „Nationalistischen Front“) waren Offiziere bei der Bundeswehr. Im jugoslawischen Bürgerkrieg kämpften 200-300 Bundeswehrsoldaten illegal, aber gedeckt von ihren Vorgesetzten auf kroatischer Seite – oft Seite an Seite mit Nazi-Söldnern. Die mittlerweile aufgelöste 2. Kompanie des KSK scheint ein Sammelbecken von Rechtsextremisten gewesen zu sein. In Afghanistan fuhren einige dieser Elitesoldaten mit einer auf die Tür ihres Einsatzfahrzeugs gesprühten Palme – Erkennungszeichen des Afrika Corps unter Rommel. Bei sehr alkohollastigen Feiern wurde mit Vorliebe Musik aus dem Zweiten Weltkrieg oder gleich harter Rechtsrock gehört, Sieg-Heil-Rufen inklusive. Der Chef der 2. Kompanie wurde mit der mittlerweile legendären „Schweinekopf“-Party inklusive Escortservice verabschiedet. Bereits zu dieser aktiven Zeit trug er u.a. ein Tattoo mit dem Motto des faschistischen serbischen Freiwilligenkorps in der Waffen-SS. Undundund….

Aber es geht um mehr als abzulehnende Traditionspflege. Franco A. – auch ein Uniter-Mitglied – stattete sich mit falscher Identität als syrischer Flüchtling aus. Alles spricht dafür, dass er einen ‚false flag‘ Anschlag plante, um die Ablehnung und den Hass auf Geflüchtete zu steigern. Die italienische ‚Strategie der Spannung‘ aus den 1970er Jahren lässt grüßen (In unserer Rezension zu „Die Krieger. Ein Fall für Nick Marzek“ (DuMont Buchverlag) von Martin Maurer hatten wir hierzu auch schon etwas geschrieben).

Marco G. aus Schwerin hortet Waffen, Sprengstoff und Munition und spricht in Chats von „2.000 Gleichgesinnten in Deutschland“. Philip S. aus Dresden steht ihm in nichts nach – beide finden milde Gerichte, die sie mit Bewährungsstrafen davonkommen lassen. Der Prozess gegen Franco A. hat am 20. Mai 2021 begonnen.

Das Buch weist verdienterweise auch darauf hin, dass es den von Berufs wegen bewaffneten Faschisten in diesem Land nicht nur oder in allererster Linie um eine Sympathie mit dem 3. Reich geht. Vielmehr fühlen sie sich schon den nicht weniger faschistischen Freikorps verbunden, die sich nach dem Ersten Weltkrieg bildeten und zunächst die emanzipatorischen Bewegungen niedermetzelten. In den 1920er Jahren wurden hohe linke und republikanische Politiker und andere Personen ermordet. Die Todesopfer der Freikorps zwischen 1919 und 1923 belaufen sich auf ca. 360 Menschen, u.a. Rosa Luxemburg, Karl Liebknecht als die vielleicht Bekanntesten im linken Lager, aber auch Kurt Eisner als bayerischer Ministerpräsident, Reichsfinanzminister Matthias Erzberger und Reichsaußenminister Walter Rathenau. Die damalige terroristische Strategie der Destabilisierung der Weimaer Republik kulminierte zunächst im erfolglosen Kapp-Putsch 1923 und endete am 30.01.1933 mit der Übergabe der Regierung an die NSDAP.

Dirk Laabs hat viele viele dieser Geschichten recherchiert und aufgeschrieben. Es ist eine gute Zusammenfassung von dem, was heute im KSK und anderswo passiert. Es ist klar, dass bundesweit 12% AfD-Wähler*innen ein Problem darstellen. Aber wenn sich Teile militärischer Spezialeinheiten verselbständigen, von Endzeit fantasieren, sich bewaffnen, Munitions- und Sprengstoffdepots anlegen und sich für einen Putsch organisieren, dann hat das noch deutlich andere Qualitäten. Wehret den Anfängen ist hier als Parole deutlich unangemessen, weil viel zu spät.

Dirk Laabs:Staatsfeinde in Uniform. Wie militante Rechte unsere Institutionen unterwandern“ „, Februar 2021, Econ Verlag bei Ullstein, 448 Seiten gebunden (Hardcover mit Schutzumschlag), 24 Euro

Links-Lesen.de-Kollektiv im Mai 2021

(einer der wenigen Artikel bei uns, wo wir bewusst die männliche Form benutzen…)

 

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