Orte der Revolte

Oliver Hölcke: Orte der Revolte

Der Untertitel von „Orte der Revolte„, eines „book on demand“ verrät zumindest in großen Teilen den Inhalt: „60er und 70er in West-Berlin – Wo, was in der Mauerstadt geschah“.

 

Buchcover

Anhand von historischen Adressen gibt der Autor Oliver Hölcke im wesentlichen einen Überblick über die Entwicklung des militantesten Teils der1968er Bewegung in Richtung bewaffneter Kampf – was allerdings ziemlich häufig als „Terrorismus“ bezeichnet wird. Während von ’68 noch die Kommune 1 in der Kaiser-Friedrich-Str. in Charlottenburg genau wie die „Schlacht am Tegeler Weg“ anlässlich eines Verfahrens gegen den damaligen APO-Anwalt Horst Mahler Erwähnung findet, geht es später fast ausschließlich um Orte des bewaffneten Kampfes von RAF, Tupamaros Westberlin und der Bewegung 2. Juni im damaligen West-Berlin. Die Revolutionären Zellen finden im gesamten Buch keinerlei Erwähnung, warum bleibt unklar.

Konspirative Wohnungen werden ebenso vorgestellt wie die Kneipe Tarantel in der Köpenicker Straße in Kreuzberg, die im Zusammenhang mit dem Komplex Schmücker (https://de.wikipedia.org/wiki/Schm%C3%BCcker-Prozess) eine größere Rolle spielte. Breiteren Raum nimmt die sich jetzt zum 50. Mal jährende Entführung des CDU-Vorsitzenden Peter Lorenz im Februar 1975 mitten im Wahlkampf ein. Zum ersten und letzten Mal gelang es einem militanten Kommando einer in der BRD kämpfenden Gruppe, gefangene Genoss*innen durch einen Austausch frei zu bekommen.

Mit Hilfe des Buches lässt sich eine gewisse örtliche Orientierung in den Zeiten 1968pp finden. Die vielen abgedruckten Fotos illustrieren die Orte des Geschehens und funktionieren gut für einen historisch-politischen Stadtrundgang mit Buch. Es gibt lokale Schwerpunkte in Charlottenburg und Schöneberg, wo auch die meisten Protagonist*innen damals lebten. Kreuzberg wurde erst ab den 1970er Jahre „entdeckt“, die ersten Wohngemeinschaften residierten in den großen bis sehr großen bürgerlichen Wohnungen in den Seitenstraßen des Kudamm. Die damals unschlagbar billigen Mieten machten es möglich, West-Berlin war für die Bourgeoisie und das Großkapital bis zum Mauerfall keine interessante Adresse. Spätestens nach dem Mauerbau 1961 kehrten viele Menschen – auch Arbeiter*innen und Angestellte – der Stadt den Rücken zu und zogen nach Westdeutschland.

Da sich das Buch sehr auf den bewaffneten Kampf konzentriert, werden andere – für die linke und linksradikale Bewegungen interessante – Adressen nicht erwähnt. Weder die ersten Hausbesetzungen Ende der 1970er Jahre in Kreuzberg und Tempelhof (Ufa-Fabrik), noch z.b. der Tunix-Kongress 1978 an der TU und auch keine linken und feministischen Buchläden. Aber die Kritik mangelnder Vollständigkeit ist bei der Fülle von erwähnenswerten Projekten sicherlich wohlfeil.

Es lässt sich aber vermutlich nicht verleugnen, dass nicht nur bei der Namensgebung, sondern auch beim Inhalt das Buch „Berlin – Stadt der Revolte“ von Michael Sontheimer und Peter Wensierski Cover Stadt der Revolte Pate gestanden haben dürfte (https://links-lesen.buchkatalog.de/berlin-stadt-der-revolte-9783861539889). Dennoch ist es natürlich begrüßenswert, dass ein weiteres Buch sich mit linker Geschichte beschäftigt und diese öbuchcover Rebellisches Berlinffentlich und erfahrbar macht. An dieser Stelle sei auch nochmal verwiesen auf denschönen Band „Rebellisches Berlin. Expeditionen in die untergründige Stadt, der im Assoziation A Verlag im Sommer 2025 in einer Neuauflage wieder erscheinen wird:

https://links-lesen.buchkatalog.de/rebellisches-berlin-9783862414437


Das Buch „Orte der Revolte“ von Oliver Hölcke ist leider nicht über links-lesen.de beziehbar, sondern ausschließlich als book on demand erhältlich:

14,99 €  (196 S., mit vielen Fotos) als e-book 10,99 €

Hier geht’s zur Webseite des Buches mit Bestellmöglichkeit: https://www.orte-der-revolte-west-berin.de/

Eventuell auch in gut sortierten linken Buchläden vorrätig.

Links-Lesen.de-Kollektiv im Februar 2025