Pablo Schmelzer: »Black and White, unite and fight« Die deutsche 68er-Bewegung und die Black Panther Party

Dank Pablo Schmelzer und der Hamburger Edition – dem Verlag des Instituts für Sozialforschung aus der gleichen Stadt – ist die linke Geschichtsschreibung wieder um ein Kapitel reicher. Der Autor ergänzt die bisherigen Bestände um eine Untersuchung, wie sich das Verhältnis zwischen der deutschen 68er Bewegung und der Black Panther Party gestaltete: „»Black and White, unite and fight« Die deutsche 68er-Bewegung und die Black Panther Party

 

Oppositionelle afroamerikanische GI’s publizierten eine Reihe von Untergrundzeitungen, die teilweise in hoher Auflage erschienen – so bspw. Voice of the Lumpen mit bis zu 20.000 Exemplaren pro Ausgabe. Aber auch eine Reihe von Weißen GI’s beteiligte sich rege an diversen Redaktionskreisen. Deutsche Studierende suchten die Nähe der Schwarzen US-amerikanischen Soldaten für konkrete Unterstützungsarbeit. Der Krieg in Vietnam eskalierte Ende der 1960er Jahre immer mehr und der Aufruf, zwei, drei, viele Vietnams zu schaffen, bzw. eine zweite Front in den Metropolen aufzubauen war Motor der Zusammenarbeit. Revolutionärer Internationalismus war damals weit oben auf der Agenda.

Schmelzer bewertet natürlich die Historie vor dem heutigen Stand der Debatte. Das Buch geht aus einer Masterarbeit des Autors hervor und verfügt daher über eine beträchtliche Anzahl an Fußnoten sowie ein umfangreiches Literatur- und Quellenverzeichnis. Er findet – niemanden wird es wundern – eine ganze Reihe von Projektionen Weißer deutscher Studierender in Bezug auf Schwarze, oft aus prekären Verhältnissen stammenden, GI’s, die bis hin zu rassistischen Vorstellungen gehen. Dies betrifft u.a. das Verhältnis zu Militanz, wo Schwarzen überdurchschnittliche körperliche Fähigkeiten in den Auseinandersetzungen mit der Polizei zugeschrieben wurden. Der Autor untersucht allerdings nicht, ob diese Wahrnehmung eventuell auch eine Folge militärischer Ausbildung und ebensolchem Training der GI’s sein könnte. Auch das Aufwachsen in Vierteln, wo Prügeleien häufiger waren als in den Vierteln, wo mittelständische Weiße Studierende in der BRD häufig aufwuchsen, könnte ein Grund dafür sein, sich erfolgreicher körperlich mit der Polizei auseinanderzusetzen.

Hier tritt auch ein Mangel in Schmelzers Buch zu Tage, welches die 68er Bewegung fast duchgängig als studentische Bewegung einordnet. Die Lehrlinge, die ‚Gammler‚, die ganze subproletarische Fraktion speziell in Westberlin und Frankfurt taucht nur in einem kurzen Beitrag auf, in dem das Tragen von langen Haaren bei Männern als Versuch bezeichnet wird, sich als ‚White-Negroes‚ zu kreieren. Dies stelle neben der identitären Suche nach Authentizität gleichzeitig den Wunsch dar,

„mit dem Objekt der Solidarität zu verschmelzen“.

Es werden aber auch einige konkrete Solidaritätsaktionen benannt, in denen es z.B. um Unterstützung von Black-Panther Aktivisten geht, welche vor deutschen Gerichten landeten, wie die „Ramstein 2“ im Jahr 1970. Hintergrund war eine Schießerei mit einem deutschen Wachmann vor der Ramstein Air Base. Oder der häufige Versuch, Schwarze GI’s in extra geschaffenen Cafés oder Kneipen zu agitieren und mit ihnen in Kontakt zu kommen. Zu konkreter politischer Zusammenarbeit kam es u.a. in einer Kampagne gegen die Inhaftierung des Panther-Aktivisten Bobby Seale in den USA. Größere Demos wurden genauso gemeinsam durchgeführt wie teach-ins auf dem Frankfurter Unigelände.

Insgesamt bleibt das Buch etwas blutarm und schwankt zu sehr zwischen zeitgenössischer Darstellung, welche stets mit Kritk aus heutiger Sicht verbunden wird und wissenschaftlichem Anspruch.

Es ist dennoch solidarisch geschrieben, aber des öfteren wirkt die aktuelle wissenschaftliche Perspektive etwas wohlfeil. Und hierbei fehlt leider oft der feministische Blickwinkel, wenn bspw. Eldridge Cleavers damals sehr verbreitetes und einflussreiches Buch „Soul on Ice“ rezipiert wird. Cleaver analysierte u.a., dass durch die Geschichte der Sklaverei in den USA die Trennung von körperlicher und geistiger Arbeit auch zur Herausbildung von vier Idealtypen geführt habe. Schwarzer Mann/Schwarze Frau/Weißer Mann/Weiße Frau, verbunden mit Klischees wie ‚Muskelkraft‘, ‚Körperbau‘, ‚Maskulinität‘. Dadurch sei die bis dahin gegebene sexuelle Verfügungsgewalt von Weißen Männern über Frauen aller Hautfarbe zugunsten Schwarzer Männer begrenzt worden. Cleaver hätte nach Ansicht des Autors die Vergewaltigung Weißer Frauen durch Schwarze Männer zum Programm erhoben. Hier hätte die Leser*in doch gerne gewusst, wie das historisch aufgenommen wurde und was Feministinnen Anfang der 1970er Jahre dazu meinten.

Mensch merkt dem Buch leider etwas zu oft an, dass es auf der bereits erwähnten universitären Masterarbeit beruht. Dadurch kommt das Mitnehmende und Spannende, was viele andere linke Geschichtsschreibungen auszeichnet, oft zu kurz. Die wissenschaftliche Analyse steht im Vordergrund, was kein Vorwurf an den Autor sein soll. Aber so wird dieses Buch wahrscheinlich nur für speziell Interessierte ein Anreiz sein – aber warum nicht.


Pablo Schmelzer: „»Black and White, unite and fight« Die deutsche 68er-Bewegung und die Black Panther Party“ September 2021, Hamburger Edition, 248 Seiten, gebunden, 11 Abb, 30 Euro


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