José Ovejero: Aufstand

In seinem bei Edition Nautilus herausgegebenen Roman „Aufstand“ behandelt der in Spanien geborene Autor José Ovejero das Thema Stadtumstrukturierung und den Widerstand linker Aktivist:innen und Hausbesetzer:innen in Madrid. In dem schön gestalteten Buch wird eine kleine Kriminalgeschichte erzählt, mit Sprengstoff, Detektiv und überraschendem Ende – aber es ist auch eine Vater-Tochter-Geschichte.

Der 1958 geborene Ovejero lebt heute – nach vielen Stationen in Europa – in Madrid. Er schrieb Romane, Lyrik, Theaterstücke – und übersetzte 2021 „Das kommunistische Manifest“ neu ins Spanische für die Galaxia Gutenberg.

Sein Buch „Aufstand“ ist erst der zweite ins deutsche übersetzte Roman und spielt im Madrid der Gegenwart vor dem Hintergrund der auch durch Tourismus angetriebenen Gentrifizierung. Der Titel zielt auf ein linkes Publikum: die Hauptprotagonist:innen sind der Radiojournalist Aitor und seine in linken anarchistischen Gruppen aktive Tochter Ana, die sich mehr und mehr radikalisiert.

Im Vater-Tochter-Verhältnis werden die großen Fragen von Radikalität versus Angepasstheit ausgetragen, für Ana gilt ab einem bestimmten Zeitpunkt nur noch: „Rebell oder Helfershelfer, das waren die einzigen beiden Kategorien, die für sie existierten“. Sie zieht in ein besetztes Haus, sucht und findet Kontakt zu militanten Gruppen. Bei Aitor wechseln sich Verständnis und Angst um seine Tochter ab – er selbst ist in seinem Alltag und Umfeld mit prekären Arbeits- und Wohnverhältnissen beschäftigt. Ovejero gelingen hier gute Beschreibungen der realen Effekte der Wirtschafts- und Finanz-Krise für die (ehemalige) Mittelschicht in Madrid, die er gekonnt z.B. bei einer zufälligen Begegnung im Supermarkt einflicht.

Auch die Arbeit im Journalismus unter Profitbedingungen schildert er lebensnah; so gibt es z.B. eine starke Szene über die Herausforderungen, die ein islamistischer Terroranschlag für Aitors Radioredaktion bedeuten.

Insgesamt gefiel uns die vielschichtige Darstellung von Aitor am besten. Aitor will kein autoritärer Vater und kein Macker sein, er schwankt zwischen Konsumwünschen und Idealismus, er fürchtet um seine Tochter, er liebt sie, aber überwacht sie auch – hier ist Ovejero eine vielschichtige Figur gelungen.

Die Darstellung des linken Aktivismus lässt uns etwas ratlos zurück. Ovejero ist offenbar bemüht, die Aktivist:innen nicht verherrlichend zu beschreiben, aber er sympathisiert gleichzeitig mit ihnen. Vielleicht führt hier eine gewisse Unentschiedenheit des Autors zu Figuren, die uns doch etwas konstruiert erscheinen: es gibt bei den Anarchist:innen (!) eine Art Anführer, der über exzellente Kontakte und linkes Theoriewissen verfügt, mit dem er Ana beeindruckt – auf der anderen Seite wird er körperlich als explizit kein klassisch attraktiver Held für sie als eine jüngere Frau gezeichnet. Hier soll zu gewollt mit Klischees gebrochen werden, da wäre weniger mehr gewesen. Aber das ist ja immer auch Geschmackssache.

Davon abgesehen sind die Art und Weise der Aktionsplanung und -durchführung von Anas anarchistischer Gruppe eindeutig nicht zur Nachahmung empfohlen: auf der einen Seite existiert hoch-professioneller Sprengstoff auf der anderen Seite herrscht erschütternde Naivität, Unerfahrenheit, Einzelkämpfertum und Drogenkonsum in der Gruppe der Aktivist:innen…

Aber es ist eben auch nur ein Roman – wir wünschen viel Spaß beim Lesen!


José Ovejero: „Aufstand„, September 2022, Edition Nautilus, Gebunden, 328 Seiten, 26 Euro


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