Bücher zum Jahresende 2022

Hier unsere Buchempfehlungen zum Jahresende 2022 – wie so oft recht sachbuchlastig – aber wir kennen ja unsere Leser:innen…

Es wäre schön, wenn Ihr hier einige Buchtipps zum Verschenken, zum Sich-Selber-Schenken, zum Diskutieren und Schmökern findet.

Bestellt gern frühzeitig – und achtet in der Versandmail unbedingt unten auf den Link zur Sendungsverfolgung. Die  ohnehin überlasteten Zulieferer:innen werden wieder mit dem fortschreitenden Dezember überlastet sein – da klappt es nicht immer mit den Benachrichtigungskärtchen…

Und wie immer gilt: bestellt und kauft auch im lokalen unabhängigen Buchladen vor Ort.

Unsere Sachbücher für das Jahr 2022:



Im Jahr 2022 waren wieder mal nicht nur linke, sondern auch rechte Bewegungen auf der Straße und es gab Demos von rechts und links zum Krieg gegen die Ukraine, zur Energiewende, zu Sozialpolitik – um so wichtiger, hier klaren Durchblick zu bewahren, wir finden z.B. mit „Außen grün, innen braun. Wie Rechtsextreme Klimakrise und Naturschutz für ihre Zwecke benutzen“ von Sam Moore und Alex Roberts aus dem oekom-Verlag – auch die gute Rechtsextremismus-Analytikerin Natascha Strobl hat hier mitgewirkt.

Auch Carolin Amlinger und Oliver Nachtwey beschäftigen sich in der bei Suhrkamp herausgegebenen Studie: „Gekränkte Freiheit. Aspekte des libertären Autoritarismus“ mit der autoritären Variante von Protesten. Sie begeben sich auf die Spur derjenigen, die glauben, dass sie immer die gecancelten seien und als einzige für die ‚Freiheit‘ eintreten würden… – spannende Erkenntnisse und Thesen für Debatten unterm Weihnachtsbaum, falls ein solcher vorhanden…

Ein wichtiges Buch kommt vom Historiker Uffa Jensen „Ein antisemitischer Doppelmord. Die vergessene Geschichte des Rechtsterrorismus in der Bundesrepublik“ (Suhrkamp). Jensen zeigt viele Parallelen zu den Ermittlungen bei den NSU-Morden – auch beim Mord an Shlomo Lewin und Frida Poeschke 1980 in Erlangen, hatten die Behörden offenbar Schwierigkeiten, sich antisemitischen Rechtsterror vorzustellen…

…_wenn man bedenkt, wie jung wir sind, so kann man nicht an den Tod glauben.“ Liane Berkowitz, Friedrich Rehmer und die Widerstandsaktionen der Berliner Roten Kapelle 1941/42“ ist von Johannes Tuchel im Lukas-Verlag erschienen – wir freuen uns über jedes neue Buch, dass die Widerstandsaktionen der Roten Kapelle näher beleuchtet. Es muss schließlich und leider immer wieder daran erinnert werden, dass der Widerstand gegen den Nationalsozialismus eben nicht nur aus der Stauffenberg-Gruppe und der Weißen Rose bestand…

Gerhard Sälter, Mitarbeiter der Unabhängigen Historikerkommission zur Geschichte des BND, beleuchtet die andere Seite, die für Nachkriegs-Westdeutschland so prägend war – NS-Kontinuitäten. In der Studie „NS-Kontinuitäten im BND. Rekrutierung, Diskurse, Vernetzungen“ im Christoph-Links-Verlag bearbeitet er auf über 800 Seiten die Frage: Wie braun war der BND…


Aus politischen Bewegungen – historisch und aktuell:



Hier empfehlen wir ein tolles politisches ‚coffeetable-book‘ aus dem Deutschen Kunstverlag: „Rotes Licht. Jugoslawische Partisanenfotografie. Bilder einer sozialen Bewegung„. Das Belgrader Büro der Rosa-Luxemburg-Stiftung hat, zusammen mit dem in Zagreb lebenden Autor und Fotografen Davor Konjikušić viele viele zwischen 1941 und 1945 entstandene Fotografien der jugoslawischen Partisanen gesammelt und nun kontextualisiert veröffentlicht, um den Werdegang einer der größten europäischen antifaschistischen Bewegungen während des Zweiten Weltkrieges nachzuzeichnen. Mehr zum Buch und auch ein pdf zum Download hier.

Auch ein echter linker Wälzer ist die Geschichte des alternativen Kulturzentrums „Rote Fabrik“ in Zürich „Bewegung tut gut – Rote Fabrik“ aus dem Schweizer Limmat-Verlag. Das Buch enthält viele Fotos, von Konzerten, Vollversammlungen und Aktionen, Archivmaterial, aber auch Debatten zu Alternativkultur in Selbstverwaltung und zum betrieblichen Selbstverständnis eines solchen Projektes. Das Buch wurde 2022 ausgezeichnet von der Stiftung Buchkunst und ist tatsächlich ein echter Hingucker.

Wenden wir uns dem Feminismus zu, diesmal der militanten Geschichte der Roten Zora: „Mili bittet zum Tanz. Auf den Spuren des militanten Feminismus der Roten Zora„. In dieser Veröffentlichung beim guten linken Assoziation A-Verlag sind Texte der damaligen Gruppe gesammelt, aber auch spätere Beiträge von Akteurinnen, die auf ihre Geschichte blicken sowie Diskussionsbeiträge heutiger Feministinnen.

Gestern und heute finden sich auch in „Keine Macht für Niemand Ein Ton Steine Scherben Songcomic“ – hier haben elf Comiczeichner:innen jeweils einen Song von Ton Steine Scherben illustriert und so vor dem heutigen Hintergrund in Szene gesetzt, witzig, ernst, politisch, fragend – ein tolles politisches Kunst-Musik-Weihnachtsgeschenk aus dem prima linken Unrast-Verlag!

In jedes WG-Regal gehört unbedingt: „BITTE LEBN. Urbane Kunst und Subkultur in Berlin 2003-2020“ – was ein tolles dickes Buch voller großartiger Bilder, spannender Einblicke in StreetArt-Szenen und Hintergrundtexte. Ein Kunstbuch, ja, aber auch ein wichtiges Werk zu stadtpolitischen Debatten und Fragen von Besitz- und Wohnverhältnissen in unseren Städten – Danke dafür an den Assoziation A-Verlag!


Politisches und Kulturelles:


Die Journalistinnen Annett Meiritz und Juliane Schäuble werfen mit „Guns n‘ Rosé. Konservative Frauen erobern die USA“ einen Blick auf das  Phänomen rechter und konservativer Frauen als Anhängerinnen und Akteurinnen frauenfeindlicher Bewegungen. Sie schreiben, dass der Anteil dieser konservativen Wählerinnen und Kandidatinnen 2022 sogar noch zugenommen hat. Wir denken, angesichts antifeministischer Rollback-Bewegungen gilt es, hier genauer hinzusehen (Christoph Links Verlag)

Die französische Pop-Feministin Julia Petri hat im Kunstmann-Verlag das wunderschön gestaltete Buch „Mit Fingerspitzengefühl. Kleine Anleitung zur weiblichen Masturbation“ veröffentlicht.  Sie hat das Street Art-Kollektiv Merci Simone und die Gang du Clito-Bewegung gegründet und diese Veröffentlichung über selbstbestimmte Sexualität von Frauen auch aus Befragungen in Social Media bereichert.

Aus dem unabhängigen Mairisch-Verlag kommt „Revolutions: Wie Frauen auf dem Fahrrad die Welt veränderten“ von der britischen Radlerin und Autorin Hannah Ross. die darin auf rasante und spannende Art und Weise die Sozialgeschichte des Radfahrens aus weiblicher Perspektive erzählt. Neben ihrer Arbeit in einem unabhängigen Verlag in London fährt sie – natürlich – viel Fahrrad – und hilft geflüchteten Frauen ehrenamtlich dabei, Rad fahren zu lernen.

Wir sind ja große Fans von Virginie Despentes und ihrer Vernon-Subutex-Trilogie – wie klasse, dass diese colle wie verstörende Erzählung aus der französischen Musik-Subkulturszene jetzt von Luz illustriert erschienen ist: „Vernon Subutex„, erschienen bei Reprodukt.

Erzählende Affen. Mythen, Lügen, Utopien – wie Geschichten unser Leben bestimmen“ kommt vom Podcast- und Autorenduo Samira El Ouassil und Friedemann Karig. Hier geht es um „Narrative vom Patriarchat oder der Klimakrise„, von Erzählungen am Lagerfeuer bis hin zu Erzählungen auf Twitter. Wer Lust hat auf etwas Denksport und historische bis aktuelle Einordnungen von den großen und kleinen „Geschichten“, die unser aller Leben formen und verformen, denjenigen sei dieses feine Buch aus dem Ullsteinverlag empfohlen.


Romane



Wir waren große Fans des Buches „Das Mädchen mit der Leica“ der deutsch-italienischen Schriftstellerin Helena Janeczek – nun erscheint mit Die Schwalben von Montecassino“ ein weiteres Buch auf deutsch bei Piper. Inspiriert von ihrer mit der Shoah verbundenen Familiengeschichte webt Janeczek mehrere Erzählstränge um die im zweiten Weltkrieg lang umkämpfte Abtei von Montecassino, dem »italienischen Stalingrad«. Sie begibt sich dabei auf die Spuren von für die Alliierten kämpfenden Maoris ebenso wie auf die von polnischen Wanderarbeitende in Italien – ein Roman, der Vergangenheit und gesellschaftspolitische Fragen heute auf eine besondere, geradezu zarte Art und Weise in Verbindung bringt.

Die Partisanenrepublik Ossola war während 44 Tagen eine von Partisanen gegründete „befreite Zone“ im Piemont im Norden Italiens – zu den Partisanen gehörte damals Gino Vermicelli, dessen autobiographisch gefärbter Roman „Die unsichtbaren Dörfer“ nun im Schweizer Rotpunkt-Verlag wieder neu aufgelegt wurde – wie auf Resistenza.eu so schön steht: „kein Heldenepos, keine Schwarzweißmalerei, keine einfachen Wahrheiten: Das macht das Buch unbedingt lesenswert!

Im tredition-Verlag hat Patricia Eckermann „Elektro Krause“ veröffentlichteine Auseinandersetzung mit Rassismus in den 80ern in der rheinischen Provinz aus Schwarzer Perspektive. Dazu eine Geisterjägerin, Nazigeister und eine okkulte Verschwörung – was will man mehr?

So forsch, so furchtlos“ von Andrea Abreu, erschienen 2022 bei KIWI, erzählt genau wie der Titel sagt, forsch, furchtlos, feministisch und frech von einer Mädchenfreundschaft auf Teneriffa – ungeschminkt und ungeschönt, mit gelungenen Blitzlichtern auf die gesellschaftlichen Verhältnisse vor Ort, in denen Tourismus und Inselbewohner:innen irritierend fremd nebeneinander leben.

Die Belgierin Adeline Dieudonné (die auch den großartigen, aber harten Roman „Das wirkliche Leben“ schrieb) hat wieder zugeschlagen: „23 Uhr 12. Menschen in einer Nacht“ sind 12 rasante, ebenfalls harte aber herrlich durchgeknallte Shortstories über menschliche Abgründe, deren Protagonist:innen sich auf einer Autobahnraststätte begegnen – inkl eine Story aus der Perspektive eines Pferdes… (dtv-Verlag)

Lest und lebt gefährlich – Euer Links-Lesen-Kollektiv im Dezember 2022