Die Krieger. Ein Fall für Nick Marzek

Martin Maurer beschreibt in seinem vierten Roman „Die Krieger. Ein Fall für Nick Marzek“ (DuMont Buchverlag) eine – auch in gut informierten Kreisen – fast vergessene faschistische Mordserie. Die Gruppe Ludwig verübte in den späten 1970er und frühen 80er Jahren eine Reihe von Mordanschlägen vornehmlich in Norditalien mit insgesamt 15 Toten. Ein Anschlag auf die Discothek Liverpool in München mit einer Toten – Corinna Tartarotti – im Jahr 1984 ist der Aufhänger dieses Romans.

Cover Die Krieger

Die Anschläge der faschistischen Organisation Ludwig richteten sich gegen Menschen in Discotheken und Pornokinos, welche während der Öffnungszeiten mit Benzin in Brand gesetzt wurden und auch gegen Drogenabhängige, Obdachlose, Homosexuelle, Prostituierte, aber auch gegen Priester, welche des Kindesmissbrauchs verdächtigt wurden. Die Bekennerschreiben zu den Terroranschlägen beinhalteten eine Verherrlichung des Nationalsozialismus. Die darin enthaltene Menschenverachtung in Kombination mit religiösem Extremismus stellte eine in Europa bis dato seltene Begründungsform von faschistischem Terror dar. Hass auf eine angebliche „moralische Verkommenheit“ anderer schien eine wesentliche Triebfeder der Attentäter zu sein.

Ausführliche Hintergrundinformationen zur Gruppe Ludwig finden sich im gut recherchierten und sehr lesenswerten Beitrag der Gruppe nsu-watch „Longread und Interview: Aus dem Bild gefallen – Der rechte Terror der „Gruppe Ludwig“ oder auch als halbstündiger Podcast.

Die Ermittlungen gegen die Nazi-Organisation stehen im Mittelpunkt des Romans. Bis zum Eingang eines Bekennerschreibens geht die Münchener Kripo und der Protagonist des Romans, der Hauptkommissar Nick Marzek, von einer Abrechnung im Rotlichtmilieu aus. Nick Marzek – nach genreüblichen schweren persönlichen Schicksalsschlägen von Berlin nach München gezogen – wird von dort nach Norditalien geschickt, um sich ein Bild vor Ort zu machen. Begleitet wird er von der italienischen Putzkraft aus dem Kommissariat Graziella Altieri, welche dolmetschen soll. Natürlich geht es im Folgenden um die gute italienische Küche, natürlich um die Klassendifferenz zwischen einem gut bezahlten Polizeibeamten und einer prekären migrantischen Putzkraft, aber auch um die Abgrenzungen zwischen verschiedenen italienischen Ermittlungsbehörden und anderes.

Der Verdienst des Romans liegt eindeutig in der Vermittlung der fast vergessenen faschistischen Anschlagsserie. In einem Nachwort informiert der Autor uns Leser*innen erfreulicherweise auch über den weiteren Fortgang nach dem Romanende. Wie bei solchen Anschlagsserien häufig geht es auch um die Frage, steht eine Organisation, ein Netzwerk dahinter, oder wirklich nur die beiden für die Taten Verurteilten. Und werden die Ermittlungen wirklich mit dem nötigen Eifer geführt oder werden diese sogar behindert und sabotiert? Es gab deutliche Hinweise auf weitere Personen, welche direkt an den Taten beteiligt gewesen sein sollen, aber keine klaren Beweise. Kaum überraschend gehen die Behörden von der Zwei-Personen-These aus. Wie bereits in dem leider nicht mehr lieferbaren Thriller „Terror“ aus dem Jahr 2012 beschäftigt sich Martin Maurer mit dem tiefen Staat in Italien und der unseligen Verquickung von faschistischen Terroristen mit Teilen der Sicherheitsbehörden in Italien. Einen Einblick in seine Recherchen gibt der Autor auf seiner Seite martinmaurer.eu, wo er z.B. alte Zeitungsartikel, Fotos und Videos zeigt.

Die Enthüllungen über Gladio und die Strategie der Spannung stehen erkennbar Pate bei der Entstehung beider Romane. In den 1970er und 80er Jahren gab es speziell in Italien und der BRD viele terroristische Anschläge von Neonazis. Diese zielten häufig darauf, möglichst wahllos viele Menschen zu töten. Der Höhepunkt dieser terroristischen Aktivitäten in Italien war der Anschlag vom August 1980 auf den Bahnhof von Bologna mit 85 Toten und in der BRD kurze Zeit später die Bombe auf dem Oktoberfest in München mit 13 Toten inklusive eines Attentäters. Oft wurde versucht, diese Anschläge der radikalen Linken unterzuschieben, um in der Bevölkerung Angst, Verunsicherung und die Sehnsucht nach „dem starken Mann“ zu verbreiten. Italien stand zeitweise am Rande eines Militärputsches, um die auch bei Wahlen stark präsente kommunistische PCI (1976: 34%) und andere Linke auszuschalten. Das Oktoberfestattentat fand mitten im Bundestagswahlkampf neun Tage vor der Wahl statt. Der Kandidat der CDU/CSU Franz-Josef Strauß interpretierte den Anschlag sofort im Sinne der Strategie der Spannung und versuchte ihn der RAF unterzuschieben. Dieser Versuch scheiterte, da der bzw. ein Attentäter sich unter den Toten befand und als Mitglied der damals gerade verbotenen Wehrsportgruppe Hoffmann identifiziert wurde. Ansonsten wäre die Wahl womöglich anders ausgegangen. Die Wehrsportgruppe Hoffmann war erst im Januar 1980 vom Bundesinnenministerium verboten worden – gegen den erklärten Widerstand der bayerischen Landesregierung, welche die Nazi-Organisation immer wieder verharmlost hatte.

Martin Maurer: „Die Krieger. Ein Fall für Nick Marzek“ November 2020, DuMont Buchverlag, 364 Seiten kartoniert, 16 Euro

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