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Buchcover Hanloser

 Gerhard Hanloser: Die andere Querfront – eine Rezension und eine zweite Meinung!

Zu dieser Zeit war eigentlich bereits alles notwendige über die antideutschen ‘Betrüger*innen‘ gesagt und geschrieben worden. Politisch waren die Antideutschen bereits damals auf der medialen Überholspur nach rechts, begrüßten die vom Westen geführten Kriege in Afghanistan und im Irak, hetzten gegen linke und linksradikale Politik in diesem Land und bezogen sich nicht etwa auf emanzipatorische Bewegungen in Israel, sondern auf die dortigen rechten Regierungen.

Hanloser beschreibt nun in seinem sehr elaborierten Werk den weiteren Werdegang der Antideutschen und einigen ihrer Protagonisten (Frauen und andere geschlechtliche Orientierungen kommen in dieser Szenerie offenbar nicht vor) immer weiter nach rechts. Das Buch ist zweifellos eine große Fleißarbeit, in der es aber ebenfalls darum zu gehen scheint, wer denn nun in der Lage ist, die bessere Marx-Exegese vorzunehmen. Der Lesbarkeit und dem Spannungsbogen des Buches tut dieser Umstand nicht unbedingt gut. Es gibt aber eine Fülle von Zitaten und Fußnoten, die den rechten Charakter der Antideutschen überzeugend entlarvt. Nun werden allerdings die allermeisten interessierten Linken bereits wissen, dass bspw. Elsässer und Wertmüller, um nur zwei prominente Namen zu nennen, ganz weit rechts (Elsässer) bzw. ziemlich weit rechts (Wertmüller) angekommen sind.

Gerhard Hanloser wird seinerseits wissen, dass es in Auseinandersetzungen mit dem politischen Gegner in aller Regel nicht
um das bessere Argument geht. Sinn und Zweck dieses Buches bleibt somit leider etwas nebulös. KeinE AntideutscheR wird nach der Lektüre dieses Werkes sein schäbiges Handeln einstellen und keinE LinkeR wird es schaffen, mit den guten Hintergründen und Zitaten eineN AntideutscheN davon überzeugen können, emanzipatorische Politik zu betreiben. Auch dürfte es kaum Menschen in der Linken geben, die zu dem Thema noch keine Meinung haben.

Aber vielleicht gibt es ja doch noch den einen oder die andere Antideutsch-Versteher*in. Denen sei das Buch sehr ans Herz gelegt, denn zur Reflexion und möglichen Veränderung einer solchen Position taugt es sehr gut. Die vielen gut und aufwändig recherchierten Beispiele aus antideutschen Publikationen beschreiben ein erzreaktionäres Projekt, was gegen alles hetzt und agitiert, was links, humanistisch und emanzipatorisch ist. Flüchtlinge sind in der antideutschen Lesart natürlich böse, weil sie muslimisch und damit angeblich antisemitisch sind und den Westen unterwandern. Die Nähe zu AfD-Positionen ist mitunter frappant und der Unterschied zwischen Compact und Bahamas teilweise nur im Detail vorhanden. Beide Publikationen loben Trumps Politik über den grünen Klee und publizieren seine Reden.

Der Kapitalismus ist für alle Antideutschen die beste aller Wirtschaftsformen, Antirassismus und Feminismus werden bekämpft,
offene Kriegsbegeisterung gegen die angeblichen oder realen Feindes des Westens wird aggressiv ausgelebt. Hanloser weist überzeugend nach, dass die Antideutschen alles mögliche sein können, aber keinesfalls als Linke anzusehen sind. Nicht wenige Antideutsche haben mittlerweile ihren eigenen Weg durch die Institutionen angetreten und sind in diversen Redaktionsstuben (besonders gern in der WELT) und im allgemeinen Wissenschaftsbetrieb angekommen und führen dort ihre Denunzierung von linker Politik mit angeblichen höheren akademischen Weihen fort.

Wenn dieses Buch dazu beiträgt, die letzten eventuell noch bei einigen vorhandenen Illusionen über diese neorechte Bewegung platzen zu lassen, dann hat es auf jeden Fall eine Daseinsberechtigung und stellt eine Pflichtlektüre für diejenigen dar, die sich angesprochen fühlen.

Ne zweite Meinung

Im Gegensatz zur obigen Rezension halte ich die Marx-bezogenen Aspekte der eher lose zusammenhängenden Skizzen für die
aufschlussreichsten. Denn dort zeichnet Hanloser die abenteuerliche Theoriereise einiger Antideutscher gnadenlos nach:

Mit Postone wird festgestellt, dass in der Grundstruktur des Kapitalismus eine Deutung nahegelegt wird, die den Kapitalismus in gutes „Konkretes“ und in angstmachendes „Abstraktes“ aufteilt. Diese verkürzte Kapitalismuskritik führe direkt zu Antisemitismus und Judenvernichtung. Deswegen müsse die verkürzte Kapitalismuskritik auf jeden Fall bekämpft werden, auch wenn man die kapitalistischen Verhältnisse dabei verteidigen müsse, die ja die verkürzte Kapitalismuskritik erst hervorbringen ….und immer im Kreis.

Da viele Antideutsche der ersten Stunde tatsächlich auch mal Marx gelesen hatten, ist die Nachzeichnung dieser Verwirrungen fürs Verständnis tatsächlich sehr hilfreich. Noch hilfreicher ist sie, wenn man bedenkt, dass viele nachgewachsene Antideutsche die theoretische Marx-Bildung nicht mehr mitbringen und das Problem der verkürzten Kapitalismuskritik nicht mehr marxistisch verstehen können, sondern erst beim Dogma „Verkürzte Kapitalismuskritik führt automatisch in eliminatorischen Antisemitismus“ in die Diskussion eingestiegen sind. Da dann die gemeinsamen Grundlage, über die man streiten könnte – eine marxistische Gesellschaftsanalyse – fehlt, findet eine immer weitere Entfremdung von Linken und Antideutschen statt. Aber das nur als Nebenbemerkung, warum ich die Marx-Kapitel für wichtig halte.

Als Ergänzung zu der würdigenden Rezension aber auch noch ein Kritikpunkt:

Ärgerlich finde ich, dass Hanloser teilweise undifferenziertes Szene-Bashing im Vorbeigalopp betreibt. Z.B. wenn er die Bahamas ausgerechnet für ihre zweifelhafte Intervention in die sog. Vergewaltigungsdebatte Anfang der 2000er lobt, oder wenn er Critical Whiteness Ansätze in einer Fußnote pauschal abqualifiziert. Alles Dinge, über die diskutiert werden kann, aber so im Vorbeigehen bleibt es substanzlose Pöbelei.

Da diese Entgleisungen aber nicht das Kernthema betreffen, bleibt das Buch sicherlich ein wichtiger Beitrag zur kritischen Auseinandersetzung mit den Antideutschen.

Das Buch in unserem Buchshop gibt’s hier.

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