Bücher zu 60 Jahre Anwerbeabkommen

Vor 60 Jahre wurde mit einem zweiseitigen Dokument die Entsendung von türkischen Arbeitskräften nach Deutschland vertraglich geregelt. Erst seit wenigen Jahren wird hierüber rückblickend von medialer, kultureller Seite aus nachgedacht, seit noch kürzerer Zeit wird auch aus offiziell politischer Perspektive heraus erinnert.

Über Jahre blieben die Leistungen und die Lebenswelten so vieler Menschen unter der Oberfläche und erreichten kaum den offiziellen Diskurs in Almanya. Hier soll es um Bücher zu diesem Themenfeld gehen.

„Gastarbeiter*innen-Literatur“

Schon früh entstanden biografisch geprägte Veröffentlichungen, die zunächst als „Gastarbeiter*innen-Literatur“ galten. Später wurde mehr von „interkultureller Literatur“ gesprochen. Nach und nach wurde der Fokus auf die Herkunftsidentität und vereinheitlichende Bezeichnungen generell mehr in Frage gestellt. Der aus Italien kommende Fabrikarbeiter und Autor Franco Biondi gründete 1980 mit Rafik Schami, Jusuf Naoum und Suleman Taufiq den Polynationalen Literatur- und Kunstverein  PoLiKunstverein, der bis 1987 existierte. In ihrem Werk „Literatur der Betroffenheit. Bemerkungen zur Gastarbeiterliteratur“ wiesen sie auf die Ironie der Bezeichnung ‚Gastarbeiter‚ hin:

Gäste ließe man normalerweise nicht arbeiten

(aus Wikipedia-Artikel „Interkulturelle Literatur„)

Unsere Buchempfehlungen in der oberen Reihe bestehen aus einigen Neuerscheinungen und Sachbüchern, die sich mit der Geschichte der Anwerbe-Abkommen, der Bedeutung und Lebenswelten von „Gastarbeiter*innen“ beschäftigen.

Auf dem bunt gemischten „Büchertisch“ darunter finden sich einige ‚Klassiker‘, wie die „Brücke vom Goldenen Horn“ von Emine Sevgi-Özdamar oder die „Berliner Trilogie“ von Aras Ören. Darüber hinaus die wichtigen politischen Werke wie „Kanak Sprak“ von Feridun Zaimoglu aus dem Kanak Attack-Kontext aber auch die Lebensgeschichte der Mircofone Mafia– Bandmitglieder: „Eine ehrenwerte Familie„. Jüngere literarisch-biografische Stimmen sind Deniz Ohde mit „Streulicht“ oder Alem Grabovac mit „Das achte Kind„. Dass die Situation migrantischer Arbeiter*innen weiterhin üblen Bedingungen unterliegt, zeigt die aktuelle Studie „Die modernen Wanderarbeiter*innen„.

Wir hoffen, Ihr findet Anregendes.

P.S.: Ende November 2021 erscheint das Buch „Grenzerfahrungen – Ein Lesebuch der Daughters and Sons of Gastarbeiters“ des Literaturkollektivs „Daughters and Sons of Gastarbeiters“ im Verlag Yılmaz-Günay. Lesungen dazu ebenfalls auf deren Homepage – es lohnt sich!

Euer Links-Lesen.de-Kollektiv im November 2021


 Sachbücher 60 Jahre Anwerbeabkommen


Ein Büchertisch mit Romanen, Biografien und politischen Analysen


 

Weiterlesen und Hintergründe:

Sehenswert ist der Mitschnitt der Veranstaltung „60 Jahre zuhause in Almanya. Gespräch, Lesung & Poetry am 27. Oktober 2021“ vom 27.10.2021 im Berliner Ballhaus Naunynstraße

Ein schönes Interview mit Franco Biondi findet sich bei der Heinrich-Böll-Stiftung: „„Literatur ist Gedächtnis“.