Grégory Salle: Superyachten

Ein besonderes Beispiel für die Dekadenz des Kapitalismus und die Abgrenzung des reichsten 1% der weltweiten Bevölkerung vom Rest bekommt in letzter Zeit vermehrt mediale Aufmerksamkeit. Die Superyachten der Superreichen sind nicht mehr nur aus kapitalismuskritischer Perspektive auf dem Wahrnehmungsradar aufgetaucht, sondern auch aufgrund der enormen Auswirkungen auf den Klimawandel und die Umwelt.

Studien gehen davon aus, dass das reichste Prozent der Menschheit aufgrund seines verschwenderischen Lebensstils für ca. 13% aller CO2 Emissionen weltweit verantwortlich ist. Hierbei spielen Superyachten neben Privatflugzeugen, riesigen Villen und anderen anscheinend unverzichtbaren Symbolen dieser Klasse natürlich nur eine Rolle, aber keine unwichtige. Der Untertitel dieses kleinen Suhrkamp Buches ist mit „Luxus und Stille im Kapitalozän“ humorvoll gewählt – die deutsche Übersetzung ist von Ulrike Bischoff geleistet.

Grégory Salle ist Soziologe und Politologe und beschreibt gekonnt die konkreten Machtdemonstrationen und Distinktionsgewinne von und durch Superyachten für deren Eignern.

Eins kommt zum anderen:

  • die exorbitanten Preise, in erster Linie abhängig von Länge und Einrichtung,

  • die weitgehend rechtlosen Besatzungen, welche sich größtenteils aus prekären Bewohner*innen des globalen Südens rekrutieren und ihren Herrn und Meistern relativ schutzlos ausgeliefert sind,

  • die quasi exterritorialen Rückzugsräume der Eigner, da sie ihre Yachten in Steuerparadiese ausgeflaggt haben und auf hoher See andere Staaten es schwer haben, Gesetzesverstöße zu ahnden

  • und die ökologischen Verwüstungen, die diese schwimmenden Protzteile verursachen.

Die Herstellungskosten sind natürlich vertraulich und können nur geschätzt werden. Aber es existiert auch ein Chartermarkt für Superyachten – je nach Größe zwischen 225.000 und 1 Million Dollar – pro Woche versteht sich und natürlich ohne Treibstoff. Für einmal volltanken kann auf der Zapfsäule schon mal eine sehr hohe sechsstellige Summe erscheinen.

Hinsichtlich der ökologischen Dimensionen sei lediglich darauf verwiesen, dass eine „durchschnittliche“ Superyacht mehr CO2 pro Jahr emittiert, als 1400 Menschen im weltweiten Schnitt produzieren.

Aber diese Superreichen haben ja auch ihre Probleme – im internen Prestigekampf geht es einerseits immer darum, die längste aller Yachten zu haben. Andererseits muss man sich damit natürlich auch in den mondänsten Marinas blicken lassen. Und die größten Yachten sind einfach zu groß, um die angesagtesten Häfen bspw. in St. Tropez und Monaco anzulaufen…. Und wenn die Leser*innen dieser Rezension glauben, die Kaufkosten für so einen Kahn doch aufbringen zu können – denkt an die Folgekosten! Pro Jahr werden für Liegekosten, Unterhalt etc. ca. 10% des Kaufpreises fällig. Was die Ausbreitung von Superyachten allerdings nicht im mindesten behindert. Wurde Ende der 1980er Jahre die Anzahl von 1.000 weltweit durchbrochen, so waren es im Jahr 2019 bereits mehr als 5.000 – Tendenz weiter steigend. Ein klassisches Beispiel von zu viel Geld in zu wenig Händen.

Der Autor führt gekonnt und teilweise ironisch und humorvoll unter Bezug auf bekannte linke Autor*innen durch das Buch. Er thematisiert allerdings auch die Frage, ob ein Abarbeiten an einigen wenigen Milliardären (ja, eigentlich alles Männer) nicht zum einen etwas wohlfeil ist und zum anderen zu Fehleinschätzungen hinsichtlich der Realität von Klassenstrukturen als auch der diese Ungleichheit erzeugenden Mechanismen führen kann.

Ein kleines aber feines Buch aus der momentanen Tendenz, Klassenverhältnisse wieder mehr zu thematisieren.


Grégory Salle: „Superyachten. Luxus und Stille im Kapitalozän“ November 2022, Suhrkamp, 170 Seiten Broschur, 16 Euro


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