Freiheit im Fokus – Gerda Taro und Robert Capa in Leipzig

Ein tolles antifaschistisches Foto- und Geschichtsbuch ist bei Hentrich & Hentrich erschienen: „Freiheit im Fokus – Gerda Taro und Robert Capa in Leipzig„. Die Kunsthistorikerin und Taro-Expertin Irme Schaber nimmt die Stadt Leipzig zum Ausgangspunkt, um das Leben und Werk der beiden KriegsfotografInnen vorzustellen. Taro politisierte sich dort, Capa begleitete die US-Armee im Jahr 1945 während der Befreiung der Stadt. Dazwischen dokumentierten beide den Kampf der Spanischen Republik gegen die Faschisten, was Gerda Taro mit dem Leben bezahlte.

Buchfoto
Foto Milizionärin

Republikanische Frau bei einer militärischen Übung, Barcelona 1936.

Auch wer Robert Capa oder Gerda Taro nicht kennt – das Foto „The Falling Soldier“ aus dem Spanischen Bürgerkrieg haben die meisten sicher schon mal gesehen, ebenso wie Taros Foto einer jungen Milizionärin, die am Strand von Barcelona das Schießen übt.

Wer war dieses Künstlerpärchen, das für ikonenhafte Fotos gesorgt hat, die – ähnlich wie einige Bilder von Tina Modotti – immer wieder gern auf linken oder feministischen Plakaten und Flugblättern auftauchen? Zunächst waren beide politische Flüchtlinge. Beide waren 1934 im Exil in Paris gelandet, wo sie bald ein Paar wurden – aber auch eine enge berufliche Koexistenz aufbauten. Unter widrigen ökonomischen und politischen Bedingungen erschufen sie sich – vor allem aufgrund von Taros Engagement und Ehrgeiz – eine Künstlerexistenz als (Kriegs-)FotografInnen, änderten ihre Namen und wurden eine Art „Marke“: Capa und Taro. Beide hatten eine linke antifaschistische Biografie hinter sich. Gerda Taro, damals noch Gerta Pohorylle, wurde als Tochter einer jüdischen Kaufmannsfamilie in Stuttgart geboren und zog 1929 mit ihrer Familie nach Leipzig, wo sie im „Sozialistischen Schülerbund“ und in der „Roten Schülergewerkschaft“ aktiv war. Robert Capa war wegen seines politischen Engagements gegen das rechte Horty-Regime aus Ungarn geflüchtet.

Die Autorin verfolgt die Biografien über die verschiedenen Lebensstationen. Die fotografische Dokumentation des Spanischen Bürgerkrieges durch Capa und Taro nimmt entsprechend viel Raum ein. Das sehr schön und aufwändig gestaltete Buch nimmt die Leser*innen von Leipzig ausgehend mit über die ungeheizte Kammer in Paris direkt bis an die Front in Spanien. Neben dieser interessanten geschichtlichen Tour vermittelt Schaber Technikgeschichte und diskutiert die Bedeutung und Entwicklung von Kriegsfotografie. Auch die Rolle von Frauen in den jeweiligen Situationen Exil, Berufsleben, Krieg wird ausgeleuchtet.

Gerda Taro stirbt 1937 im Krieg – bei einem schweren Unfall während eines deutschen Luftangriffs. Bei ihrer Beerdigung in Paris folgen Tausende dem Sarg – eine „machtvolle Demonstration gegen den Faschismus„, wie Schaber schreibt. Später gerät Taros Werk etwas in Vergessenheit. Viele ihrer Fotos, die unter dem Copyright ‚Capa‘ liefen, konnten ihr erst im Jahr 2007 zugeordnet werden. Der Hintergrund war eine spektakuläre Entdeckung: Taro, Capa und ihr Fotografen-Kollege David Seymour hatten es 1939 geschafft, 4.500 Negative aus dem Spanischen Bürgerkrieg aus Paris herauszuschmuggeln. Erst 2007 wurden diese wichtigen, verschollen geglaubten Negative wieder gefunden, auf dem Dachboden eines Dipolmaten, im sogenannten „Spanischen Koffer“.

Auch Robert Capas Leben endet früh und ebenfalls während seiner Tätigkeit als Kriegsfotograf, 1954 im Indochina-Krieg. Während die US-Amerikaner 1945 Leipzig befreiten, war er vor Ort dabei – eine Lebensstation, die im Buch ebenfalls eine Rolle spielt und heute auch im Capa-Haus in Leipzig besichtigt werden kann: https://capa-haus.org/

Das Buch eignet sich wunderbar, um in eine wichtige Episode der Geschichte einzutauchen. Die vielen Fotos, Zeitungsausschnitte oder Abbildungen der Kameratechnik und der Schauplätze bebildern die Biografien sehr gekonnt. Es wäre zu wünschen, dass dieses schöne Buch dazu beiträgt, die bewegende Geschichte dieser beiden AntifaschistInnen zu bewahren.


Irme Schaber: „Freiheit im Fokus – Gerda Taro und Robert Capa in Leipzig“ 2024, Hentrich & Hentrich, 112 Seiten Hardcover mit 51 Abbildungen, 18,90 Euro


Links-Lesen.de-Kollektiv im April 2025


Die Autorin Irme Schaber hat früher im linken Buchladen „Roter Stern“ in Marburg gearbeitet. Ihr ist das große Verdienst zuzuschreiben, dass sie Gerda Taro aus dem Schatten von Capa hervorgezogen hat, durch viele Recherchen, Archivarbeit – und Leidenschaft. Von ihr stammt die erste Taro-Biografie – und sie war Gastkuratorin der ersten Taro-Ausstellung des International Center of Photography (ICP) in New York 2007.

Ein schöner Artikel über die Arbeit von Irme Schaber ist in der Kontext Wochenzeitung erschienen:

https://www.kontextwochenzeitung.de/gesellschaft/284/die-frau-hinter-taro-3854.html