Richard Malka: Das Recht, Gott lächerlich zu machen

Der Autor Richard Malka ist der ständige Anwalt der französischen Satirezeitschrift Charlie Hebdo und das kleine Buch „Das Recht, Gott lächerlich zu machen“ ist sein gedrucktes Plädoyer im Prozess gegen die Attentäter vom 7. Januar 2015 in Paris. Islamistische Attentäter überfielen damals die Zeitung und ermordeten 12 Redaktionsmitglieder. Als angebliche Rechtfertigung wurden die von Charlie Hebdo veröffentlichten Mohammed-Karikaturen genannt.

 

Buchcover Malka vor einer Kirch fotografiert

Erschienen ist das Buch „Das Recht, Gott lächerlich zu machen“ im Aschaffenburger Alibri-Verlag, welcher nach eigener Aussage

Texte von Autor:innen (publiziert), die für Selbstbestimmung, Emanzipation, Aufklärung und Wissenschaftlichkeit eintreten und sich mit ihren Büchern für eine säkulare solidarisch und rational gestaltete Welt stark machen.

Der Verlag verortet sich ausdrücklich in einer langen Tradition unabhängiger linker Verlage, die sich kritisch mit Herrschaftsverhältnissen und Patriarchat auseinandersetzen. Insbesondere möchte Alibri säkularen Migrant:innen eine Stimme geben und verteidigt den universalistischen Anspruch der Menschenrechte.

Das Buch selbst ist im wahrsten Sinne des Wortes ein Plädoyer dafür, dass Kritik an Religionen – nicht an Gläubigen – immer, überall und in jeder Form zulässig ist. Hier kontern – auch Linke – häufig, dass es nicht angehen kann, die religiösen Gefühle von Menschen zu verletzen. Malka proklamiert das Gegenteil, Linke seien historisch Atheisten und hätten somit mindestens das Recht, wenn nicht die Pflicht, gegen Götzendienste aller Art zu sein. Auch würde umgekehrt selten bis nie verlangt, die Gefühle von Atheisten zu achten und nicht mit religiöser Propaganda in der Öffentlichkeit zu verletzen. Religiöse Gruppen stehen in aller Regel auf der anderen Seite – ihre Inhalte sind nicht emanzipatorischer Art, sie stehen linken Werten allein aufgrund ihres Glaubens an einen oder mehrere Götter entgegen.

Die Debatte ist dennoch kompliziert. Antimuslimische Kritik trifft bspw. häufig auf Zustimmung in der politischen Rechten, antijüdische Kritik hat den Beifall der Antisemiten sicher. Sollten sich christlich sozialisierte Aktivist*innen daher schwerpunktmäßig oder gar ausschließlich auf die Kritik am Christentum konzentrieren? Und wenn ja, warum eigentlich? Zu anderen Ländern und den dortigen Verhältnissen haben Linke aller coleur ja auch ständig eine Meinung. Niemand würde verlangen, dass man sich auf Kritik am eigenen Land beschränken sollte. Charlie Hebdo verortet sich jedenfalls selbst im linken und auch antirassistischen Spektrum. Die Zeitung hat nach Untersuchungen von Le Monde jedenfalls viel häufiger das Christentum satirisch aufs Korn genommen als andere Religionen. Der Vorwurf, sich einseitig nur am Islam abzuarbeiten, sollte damit vom Tisch sein. Aber Provokation um der Provokation willen? Mit welchem Sinn? Rein aus Prinzip? Macht aus emanzipatorischer Perspektive auch nur bedingt Sinn….

Am Schluss seines Plädoyers zitiert Malka ausführlich antirassistische und linke Stimmen. Diese kommen im Kern – gemeinsam im übrigen mit rechten Muslimen wie bspw. der türkischen Regierung, aber auch dem Papst – zu dem Schluss, dass Charlie Hebdo quasi selbst schuld an dem mörderischen Überfall sei, da die Zeitung „rassistisch“ sei und man sich angeblich „nicht über den Glauben anderer lustig machen dürfe“. Diese Zitate, wenn sie nicht aus dem Zusammenhang gerissen sein sollten, u.a. von Jean-Luc Melenchon, Virginie Despentes, Daniel Cohn-Bendit und auch von linken Parteien und antirassistischen Gruppen sind angesichts der Monstrosität der Differenz zwischen Karikaturen und 12fachem Mord zutiefst verstörend. Immer wieder der Vorwurf, Charlie Hebdo hätte „provoziert“ – was natürlich für eine Satirezeitschrift kein Vorwurf, sondern Geschäftsgrundlage ist.

Frankreich ist ein laizistisches Land mit einer sehr viel schärferen Trennung zwischen Kirche und Staat, als es hier in diesem Land der Fall ist. Kurz nach der bürgerlichen französischen Revolution wurde der Straftatbestand der Blasphemie aus dem Gesetzbuch gestrichen. Bei allen historischen Unzulänglichkeiten in der Gleichstellung sexueller Minderheiten in westlichen Ländern dürfte es allerdings kein Zufall sein, dass es nahezu die gleichen Länder sind, wo noch heutzutage sowohl Blasphemie als auch Homosexualität hart bestraft werden.

Malka ist natürlich angesichts seiner Rolle als Anwalt von Charlie Hebdo zutiefst parteiisch, aber auch Satiriker*innen sollten sich der Frage stellen, ob mensch stets und immer alle Rechte, die mensch hat, auch ausüben muss. Noch dazu angesichts der Tatsache, dass einige der Mohammed-Karikaturen, mit denen alles losging, an Plumpheit kaum zu überbieten waren – aber das ist eine andere Debatte.

Kern sollte die Frage sein, ob eine emanzipatorische Linke sich weiterhin berechtigt fühlt, legitime Kritik auch an denjenigen zu üben, die rassistisch unterdrückt werden oder nicht. Ob eine Linke für sich in Anspruch nimmt, reaktionäre Politik auch weiterhin reaktionäre Politik zu nennen, auch wenn sie von Unterdrückten ausgeübt und von denen für richtig befunden wird.

Ein prinzipieller Verzicht darauf käme jedenfalls einer Entpolitisierung des eigenen Subjekts gleich.

Um es konkret zu machen: es scheint keine linke Gruppe zu geben, die ein positives oder auch nur neutrales Verhältnis zum IS hat. Im Gegenteil wird hier – völlig zu recht – scharfe Kritik geübt. Diese seltene linke Eingkeit mag u.a. – neben dem offenkundigen reaktionären Charakter des IS – auch daran liegen, dass der IS im Irak und Syrien massiv Kurd*innen angegriffen und getötet hat. Auch mit dem leider nicht mehr so aktiven Aufstand im Iran gibt es eine sehr sehr breite Solidarität in der Linken – möglicherweise auch, weil der Aufstand im September 2022 in den kurdischen Gebieten im Iran began. Denn die Akteur*innen zurückliegender Aufstände gegen das klerikale Regime im Iran wurden von einem Teil der Linken eher als an westlichen Werten orientierten Mittelschichtsangehörigen bezeichnet und somit eine Solidarität verweigert. Seit dem 7. Oktober fällt es nicht nur einigen, sondern vielen Linken anscheinend schwer, die Hamas als das zu bezeichnen, was sie ist – nämlich unter Garantie keine Befreiungsbewegung. Angeblich, weil weiße privilegierte Metropolen-Linke kein Recht hätten, die Taten von Bewegungen des globalen Südens auch nur im Ansatz zu kritisieren. Warum dies allerdings nur bei der Hamas so sein soll und nicht beim IS, bleibt einer der ungeklärten Widersprüche…

Jedes sich gemein machen mit reaktionären religiösen Kräften – und sei es nur im Verzicht auf Kritik – bedeutet ein Stück Kapitulation in der politischen Auseinandersetzung und vermindert die politische Glaubwürdigkeit einer linken Bewegung.

Richard Malkas Buch ist in diesem Spannungsverhältnis ein lesenswerter Diskussionsbeitrag. Zwar nicht differenziert, aber engagiert und leidenschaftlich in der Argumentation.


Richard Malka: „Das Recht, Gott lächerlich zu machen“ // 2023 // Alibri Verlag // 95 Seiten Klappenbroschur // 10,- €


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