Buchtipps zum Jahresende 2023
Hier unsere Jahresendempfehlungen 2023 – Bücher, die wir oder unsere Freund:innen in diesem Jahr gelesen haben, die uns beeindruckt haben, die wir für wichtig, interessant, schön, diskussionsanregend und schenkenswert halten.
Darunter wie immer viele Sachbücher – wir sind ja ein linker Online-Buchladen und als Linke gibt’s halt viel zu diskutieren, zu lernen, aufzufrischen.
Wie jedes Jahr gilt: Bestellt gern frühzeitig.
Auch im Buchgroßhandel gibt es Personalengpässe und Lieferschwierigkeiten Die Paketdienstleister und Zulieferer werden ebenfalls mit dem fortschreitenden Dezember weiter überlastet sein und wir können dann nicht immer kurze Lieferfristen garantieren. Und nicht vergessen: bestellt und kauft auch im lokalen unabhängigen Buchladen vor Ort.
Sachbuchtipps für das Jahr 2023
- Ein absolutes Highlight war für einige von uns „V13. Die Terroranschläge in Paris“ von Emmanuel Carrère (Matthes & Seitz) – eine gesellschaftspolitisch argumentierende bewegende und aufschlussreiche Gerichtsreportage über den Prozess wegen der islamistischen Anschläge auf das Bataclan etc. – wir haben das Buch hier ausführlich besprochen und empfehlen es wirklich wärmstens!
- 30 Jahre nach dem rechten Brandanschlag ist das Buch „Solingen, 30 Jahre nach dem Brandanschlag. Rassismus, extrem rechte Gewalt und die Narben einer vernachlässigten Aufarbeitung“ bei transcript erschienen. Herausgegeben wurde es von Birgül Demirtas, Adelheid Schmitz, Derya Gür-Seker und Kahveci und es bietet einen Blick aus unterschiedlichen Perspektiven und in vielen verschiedenen Tonfällen und Schreibweisen auf diesen rassistischen Anschlag, dem fünf Mitglieder der Familie Familie Genç zum Opfer fielen. Neben zivilgesellschaftlichen und wissenschaftlichen Stimmen kommen auch Überlebende und Angehörige der Familie Genç zu Wort – Lesen!
- Bei Wagenbach erschien jüngst „Die deutschen Anarchisten von Chicago oder wie der 1. Mai entstand“ über aus Deutschland in die USA emigrierte Anarchisten und die Haymarket-Riots. August Spies, Herausgeber der sozialistischen „Arbeiter-Zeitung“ und der Sozialist George Engel wurden am 11. November 1887 mit anderen Organisatoren einer Kundgebung für den 8-Stunden-Tag hingerichtet. Ein selten klarer Fall eines Justizmordes. In diesem politischen Prozess, in dem die Geschworenen parteiisch ausgewählt worden waren, sollte ein klares Exempel statuiert werden: Kein Arbeiter sollte es danach mehr wagen, zu Versammlungen oder gar Streiks für bessere Arbeitsbedingungen aufzurufen. Wie gut, dass Friederike Hausmann diese linke Geschichte nacherzählt hat.
- „Afrika und die Entstehung der modernen Welt. Eine Globalgeschichte“ Der Autor Howard W. French erweitert die Geschichte, warum Europa und später die USA so reich und mächtig wurden. Über den traditionellen Blick auf die Ausplünderung der Bodenschätze Lateinamerikas seit dem 16. Jahrhundert richtet French den Blick nach Afrika und weist nach, dass hier bereits früher viel Gold von Afrika nach Europa und speziell nach Portugal floss. Darüberhinaus wird betont, dass die relevantere Grundlage des westlichen Reichtums in dem hemmungslosen Handel mit Sklav*innen und deren Ausbeutung auf den Zuckerrohrfeldern und Baumwollplantagen Amerikas begründet ist. (Klett-Cotta) Sehr lesenswert!
- Großartig, dass der Verbrecher Verlag mit „Femi(ni)zide. Kollektiv patriarchale Gewalt bekämpfen“ ein Buch herausgebracht hat, in dem Feministinnen aus Österreich (»Claim the Space« in Wien ) ihre Kampagne gegen Feminizide darstellen, analysieren und einordnen. Das ist wichtig und wertvoll, horizonterweiternd, da auch feministische Kämpfe in Lateinamerika und der Karibik diskutiert werden. Schön, wenn politische Erfahrungen in so guter Buchform vorliegen! Der Name des Autor*innen-Kollektiv BIWI KEFEMPOM bedeutet übrigens: „bis wir keinen einzigen Femi (ni)zid mehr politisieren müssen“
Linke Politik
- Beginnen wir mit klassischer Bewegungsgeschichte: „Frauenstraße 24. Geschichte einer erfolgreichen Besetzung„, zum 50. Jahrestag der Besetzung der Frauenstraße 24 in Münster im Jahr 1973 nun beim guten Unrast-Verlag veröffentlicht. Die F24 war eine der ersten und eine der wenigen nachhaltig erfolgreichen Hausbesetzungen in Deutschland, deren Erhalt nach einem langen politischen Kampf endgültig 1981 gesichert werden konnte. In Interviews kommen ehemalige Besetzer_innen, Aktivist_innen und Zeitzeug_innen zu Wort und ein Blick auf aktuelle Bewegungen für eine bessere Wohnungspolitik schließt das Buch ab.
- „Versöhnungstheater“ von Max Czollek – eine Streitschrift zur „ach so erfolgreichen“ deutschen Erinnerungskultur, erschienen bei Hanser. Czollek sieht genau hin, welche Effekte bestimmte Formen des Gedenkens in diesem Land oft haben (sollen): ‚Versöhnung‘, ‚Normalisierung‘, ‚Wiedergutwerdung‘. Der Autor fragt: Mit wem und für wen geschieht eigentlich Erinnerung? Entschädigungszahlungen? NS-Täter-Verfolgung? Fehlanzeige. Stattdessen viel Symbolpolitik und gleichzeitig neu errichtete Preußenschlösser, finanziert von Antisemiten…
- Die Gruppe ausgeCO2hlt kommt aus der Klimagerechtigkeitsbewegung und setzt sich für einen sofortigen Kohle-Ausstieg ein. Im bei Unrast erschienenen Buch „Jenseits von Hoffnung und Zweifel. Gedanken zum Widerstand in der Klimakrise“ schauen sie auf Narrative in der Klimabewegung – die Apokalypse, die Utopie, ‚Unite behind the science‘ – und fragen, ob diese Erzählungen eigentlich Kraft schenken oder rauben. Der Band schaut auf die Aktivist*innen selber, auf die eigene Emotionalität, die Beziehungen, das Verhältnis zur Natur. Überall klingt die Frage mit, wir wir von einer Arbeitsweise wegkommen, die einem chronischem Ausnahmezustand ähnelt, hin zu einem widerständigem Leben, in dem wir langfristig zu Hause sein können.
- 26 Jahre lang hatte sich Bernd Heidbreder den deutschen Strafverfolgungsbehörden entzogen. Man warf ihm vor, als Mitglied der Gruppe 1995 in Berlin versucht zu haben, den Ausbau eines alten DDR-Gefängnisses zu einem Abschiebeknast in Grünau zu verhindern. Der Anschlag misslang und Bernd setzte sich ab. Nach vielen Jahren der Illegalität wurde er 2014 in Venezuela verhaftet. Infos zur Solikampagne in Deutschland finden sich bei www.Ende-Aus-Net. Nach zwei Jahren kam er frei, eine Auslieferung nach Deutschland wurde abgelehnt. Aber die brutalen Haftbedingungen hatten ihre Spuren hinterlassen: Bernd wurde krank und starb 2021. Davor schrieb er: „Aus der Zwischenwelt. Ein Leben auf der Flucht vor dem deutschen Staat“ (Unrast)
- Mit markantem Titel kommt „Scheiß auf Selflove, gib mir Klassenkampf. Eine neue Kapitalismuskritik„ vom Kabarettisten Jean-Philippe Kindler daher (Rowohlt). Ganz so neu ist vieles natürlich nicht – aber der Ansatz, klassenpolitische Fragen wieder verstärkt auf die Agenda zu rücken, ohne identitätspolitische Debatten gleich ganz mit dem Bade auszuschütten macht Spaß zu lesen und gibt Anregungen für linke Diskussionen.
Zum selber lesen oder verschenken
- Bei Matthes & Seitz erschien dieses Jahr „Am laufenden Band. Aufzeichnungen aus der Fabrik“ von Joseph Ponthus – ein absolut empfehlenswertes Buch. Das ist Arbeiterliteratur, Poesie, Gesellschaftskritik, in toller Sprache voller Witz und Tragik. Aufgeschrieben wurde es nach der Arbeit am Fließband, in der Fischfabrik oder an der Tier-Zerlege-Maschine… Wir haben es hier rezensiert.
- Ein historischer Ausflug in die Arbeiterbewegung unternimmt der schöne Bildband: „»Mit revolutionären Grüßen«. Postkarten der Hamburger Arbeiterbewegung 1919-1945 für eine Welt ohne Ausbeutung, Faschismus und Krieg„, der bei VSA herausgegeben wurde. Der Band entstand basierend auf einer Ausstellung mit dem schönen Titel: »Proleten auf Karton« in der Staatsbibliothek Hamburg. In mehreren Kapiteln wird Geschichte von Gewerkschaften, von Streiks, Solidarität gegen Repression, Arbeitersport und Widerstand Hamburger Arbeiter:innen gegen den Faschismus bebildert und beschrieben – ein prima Geschenk!
- Nun ein Buch, das bei uns ganz weit vorne steht für den tollsten Buch-Titel des Jahres: „Eine Frau geht einen trinken. Alleine.“ Lou Zucker hat im Maro-Verlag über das Ausgehen nachgedacht, eine Praxis im ‚öffentlichen Raum‘, die stark geschlechtlich durchstrukturiert und geformt ist. Das – im übrigen toll gestaltete – Buch halten wir für ein prima Geschenk: ein Plädoyer für das Trinken, Feiern, Tanzen als Frau in der Bar – Reclaim the night!
- Wir mögen die Edition Atelier aus Wien sehr dafür, dass sie immer wieder mal literarische Schätze aus dem frühen 20. Jahrhundert heben. Mit „Die Unpolitischen“ haben sie ein Stück österreichische Exilliteratur aus Lateinamerika herausgegeben, geschrieben von Diego Viga 1969 in Ecuador. Viga war 1907 als Paul Engel in Wien geboren worden und floh als verfolgter jüdischer Linker vor den Nazis. Neben seiner Tätigkeit als Mediziner begann er zu schreiben. Als Sozialist war es sein Wunsch, seine Romane in DDR-Verlagen zu veröffentlichen – nach Österreich wollte er nie wieder zurück… Der nun neu aufgelegte Roman trägt stark autobiografische Züge und erzählt auch die Geschichten (s)eines „unpolitischen“ jüdischen Freundes- und Bekanntenkreises, die Anfang der dreißiger Jahre in Wien und in Berlin leben und die Gefahr des Nationalsozialismus nicht sehen oder sehen wollen.
- Ein Kochbuch und wiederum viel mehr als ein Kochbuch ist „Die Küche der Armen. Mit 300 Rezepten aus aller Welt“ von Huguette Couffignal und Barbara Kalender, hrsg. bei März. Das 368-Seiten dicke Buch ist eine Kulturgeschichte einfacher Küche und ihrer Umstände. Es zollt den aus Mangel und jahrhundertelanger Erfahrung gewonnenen Rezepten großen Respekt, ohne zu romantisieren.
Romane
- „Zwei Sekunden brennende Luft“ von Diaty Diallo hat dieses Jahr Furore gemacht. Wir haben das sehr schick gestaltete Buch aus dem guten Assoziation A-Verlag hier besprochen und empfehlen es gerne! Es geht um Polizeigewalt in einer der vielen französischen Vorstädten in ihrer Alltäglichkeit, die so häufigen Polizeikontrollen, Schikanen, Razzien, Durchsuchungen, Schläge, Prügel in der Wanne, Festhalten auf der Polizeistation – und um einen Polizeimord. Jedoch stehen nicht so sehr die Handlungen der Polizei im Vordergrund, sondern vielmehr das Leben, Denken und Fühlen und der Widerstand der Bewohner:innen der Banlieues.
- – Content-Warnung: sewxualisierte Gewalt – Der Züricher Rotpunkt-Verlag bringt oft interessante (Gegenwarts-)Literatur aus dem Italienischen auf deutsch heraus. Der autobiografisch grundierte Brief-Roman „X“ von Valentina Mira zeigt auf dramatische Weise die enge Verwobenheit von faschistischer und frauenverachtender Ideologie. Die heute feministisch aktive Autorin hat mit dem Buch eine eigene Geschichte sexualisierter Gewalt durch einen Neofaschisten verarbeitet und dabei auch die katholisch-verdruckste Tabuisierung von Gewalt gegen Frauen in den Fokus gerückt.
- Um das Patriarchat geht es auch bei der von uns geschätzten Virginie Despentes in „Liebes Arschloch“ (Kiepenheuer & Witsch). Auch dieses Buch ist ein Briefroman, aber gleichzeitig auch ein Social-Media-Roman, in dem ein ‚alter weißer Mann‘ mit seiner Frauenverachtung und seinem Selbstmitleid seziert wird. Das geschieht in der Despentes-eigenen Kunst, hierbei zwar messerscharf, aber nie unerbittlich zu werden. Selten konnte jemand unsympathische Figuren so eindrucksvoll abbilden… Es geht um #MeToo, um Drogen und die Abkehr davon, um die Weiterentwicklung, die als Chance in jedem Menschen stecken kann. Tolle, politische Literatur aus Frankreich!
- „18 Kilometer bis Ljubljana“ (Folio Verlag) so weit ist es von Fužine bis in die Großstadt Ljubljana. In der Trabantenstadt leben seit Jahrzehnten viele Menschen aus dem ehemaligen Jugoslawien. Hierher kommt der Protagonist nach Jahren wieder zurück und steckt sofort mittendrin in einem Wohnviertel voller Heimatloser, Angekommener, Ausgegrenzter und Wütender. Rasant geschrieben – Konflikte mit der Polizei kommen auch wieder vor – Goran Vojnovic hat für seinen vorigen Roman schon mal eine Anzeige eines hohen slowenischen Polizeidirektors bekommen – wegen der dort geäußerten polizeikritischen Äußerungen …
- Rasant verläuft auch der Debüt-Roman „Dein Taxi ist da“ von Priya Guns, veröffentlicht im Aufbau-Verlag. Die bisexuelle indische Taxifahrerin Damani lernt im Taxi die vielleicht große Liebe kennen – es wird kompliziert! Ein politischer Großstadt-Roman über prekäres Arbeiten, schnelle Autofahrten, Wut, Liebe und Privilegien.
Noch mehr Romane und Krimis…
- Wenn beim Abendessen in einem Satz wie „Haben wir noch Salz?“ all das kulminiert und eskaliert, was an unausgesprochenen Erwartungen an eine Mutter im Raum steht, dann ist eben Schluss. Und was die Familie macht, wenn die Mutter vom Balkon gesprungen ist, das steht in diesem harten, wütenden Buch „Die Wut, die bleibt“ von Mareike Fallwickl (Rowohlt) – ein feministischer Roman über den radikalen Ausbruch aus den Anforderungen familiärer Zumutungen und die Reaktionen darauf.
- „Natürlich kann man hier nicht leben“ von Özge Inan (Piper) – eine Generationengeschichte zum einen, eine Geschichte politischen Widerstands in der Türkei zum anderen. Während die Elterngeneration in der Türkei gekämpft und sie dann verlassen hatten, wird die in Deutschland lebende Tochter Nilay von den Gezi-Protesten politisiert. Ein tolles linkes Buch!
- Die in Kreuzberg geborene Dana Vowinckel hat mit „Gewässer im Ziplock“ ihren ersten Roman veröffentlicht (Suhrkamp). Es geht um drei Generationen jüdischen Lebens, um Selbstfindung, Erwachsenwerden und Fremdheit. Ein Ausgangspunkt ist eine Vater-Tochter-Geschichte zwischen Berlin, Chicago und Jerusalem, in die ein Geheimnis der Mutter platzt…
- Der historisch-politische Krimi „Vom Untergang“ von Leonhard Seidl erschien bei der guten Edition Nautilus und nimmt uns mit in das Bayern der Zwanziger Jahre. Es geht um den Kampf von rechts gegen die junge Weimarer Republik, mit Bürgerwehr und Presse-Propaganda und um den Anarchosyndikalisten Fritz Oerter. Der Roman basiert auf intensiven Recherchen und enthält zahlreiche Originalzitate aus Zeitungen, Sitzungsprotokollen und Briefen.
- Noch mehr Krimis: Gil Ribeiro: „Lost in Fuseta Band 5 und 6„. Von dem deutschen Austausch-Kommissar in Portugal Leander Lost mit Asperger-Syndrom (stellten wir 2019 hier mal vor) sind mittlerweile Band 5 und 6 erschienen. Ermittelt wird immer noch im beschaulichen Fuseta an der südlichen Algarve. Ribeiro ist ein prima Schriftsteller, bei allem Krimi kommt ein prima Situationshumor nicht zu kurz, wo es auch einiges zu schmunzeln und lachen gibt. In Band 5 „Einsame Entscheidung“ geht es um üble Machenschaften im Agrobusiness und den Schutz und die Absicherung durch höchste staatliche Stellen. Band 6 „Dunkle Verbindungen“ ist ein klassischer Kriminalroman mit präzisen Beschreibungen der handelnden Personen. Beide spannend geschrieben und sehr zu empfehlen (Kiepenheuer & Witsch)!
Noch mehr Sachbücher…
- 2023 sind einige interessante soziologische Bücher erschienen, z.B. „Triggerpunkte“ von Steffen Mau, Thomas Lux und Linus Westheuser. Es geht um Hintergründe sozialer Konflikte, wie der Untertitel so schön sagt: „Konsens und Konflikt in der Gegenwartsgesellschaft | Warum Gendersternchen und Lastenfahrräder so viele Menschen triggern“ (Suhrkamp)
- „Der Allesfresser. Wie der Kapitalismus seine eigenen Grundlagen verschlingt“ von Nancy Fraser (Suhrkamp): Kapitalismus ist nicht nur ein Wirtschaftssystem, sondern eine Gesellschaftsform. Als solche ist er darauf angewiesen, sich auch nichtökonomische Ressourcen einzuverleiben und so langfristig seine eigenen Grundlagen zu zerstören. Wie der Ouroboros, die Schlange, die ihren eigenen Schwanz verspeist, verschlingt er natürliche Rohstoffe und unbezahlte Betreuungsarbeit. Er enteignet rassifizierte Gruppen und unterminiert die Macht demokratischer Institutionen, auf deren Funktionieren er eigentlich angewiesen ist. Damit erweist er sich als Motor hinter den diversen Krisenphänomenen, mit denen wir heute konfrontiert sind.
- Die AG Feministischer Streik Kassel stellt mit „Feministisch streiken. Dort kämpfen, wo das Leben ist“ 12 Thesen zu Stand und Ausrichtung der feministischen Streikbewegung in Deutschland vor und diskutiert, wie es gelingen kann, die patriarchalen Verhältnisse ins Wanken zu bringen. Wiedermal eine spannende Veröffentlichung zu aktuellen Debatten vom Unrast-Verlag!
- „Volkstheater. Der rechte Angriff auf die Kunstfreiheit“ ist eine politische Recherche über eben solche Angriffe, ihre Hintergründe und Entstehungsbedingungen und die Bedeutung der zündelnden AfD-Politiker*innen… Geschrieben hat dieses wichtige Buch der Journalist Peter Laudenbach im Wagenbach-Verlag. Wir denken, eine Beschäftigung damit ist unumgänglich für viele von uns, die in diesen Bereichen tätig sind.
- Eine historische Widerstandsgeschichte ist „Und ich lernte zu kämpfen. Vom Karl-Marx-Hof zu den Anishinabe“ (bahoe-Verlag). Der Autor Robert Treuer wurde 1926 inWien in eine jüdisch-sozialdemokratische Familie geboren. Sein Vater war Teil der antifaschistischen Bewegung, wo er unter anderem half, Untergrundzeitungen über die Tschechoslowakei nach ÖSterreich zu schmuggeln. Die Familie konnte nach dem «Anschluss» 1938 Österreich verlassen und 1939 in die Vereinigten Staaten emigrieren. In Ohio wurde Robert Treuer Gewerkschafter und Aktivist der indigenen Anishinabe – eine beeindruckende Lebensgeschichte…
Diverses…
- „Geheimsache Italien“ (S.Marix Verlag): Der Autor Giuliano Turone ist ehemaliger Untersuchungsrichter und beschreibt auch anhand von Gerichtsunterlagen die „bleierne Zeit“ in Italien von Ende der 1960er bis Anfang der 80er Jahre. Er bleibt dabei stets nah bei den Fakten und lässt sich nicht zu Verschwörungserzählungen welcher Art auch immer verleiten. Turone beschreibt u.a. die Verbindungen der Democrazia Christiana – speziell des mehrfachen Ministerpräsidenten Guilio Andreotti – mit dem organisierten Verbrechen, die weiteren Verbindungen mit dem Rechtsterrorismus in der „Strategie der Spannung“ und speziell die Geheimloge P2. Ein Staat im Staate, in der hohe und höchste Politiker, Militärs und Geheimdienstler Mitglied waren. Dieser Geheimbund war so einflussreich, dass er noch nicht einmal putschen musste, da er wichtige staatliche Entscheidungen durch die Macht seiner Mitglieder beeinflussen konnte. So waren z.B. von den zwölf Mitgliedern des Krisenstabes während der Entführung Aldo Moros durch die Roten Brigaden elf auch Mitglied der P2. Die Nummer von Slvio Berlusconi in der P2 war übrigens die 1816. Sehr lesenswert und auch ein schönes Geschenk nicht nur für Italophile.
- Spannend geschrieben in der Art eines mitreißenden Wirtschaftskrimis sind die „Panama Papers“ (Kiepenheuer & Witsch). Dies ist sie Geschichte des größten Datenleaks aller Zeiten: mehr als 2,5 Terrabite über offshore Konten, Briefkastenfirmen, verzweigten Eigentümerverschachtelungen und anonymisierte Vermögen werden den Autoren Bastian Obermayer und Frederik Obermaier zugespielt. Beide waren damals für die Süddeutsche Zeitung tätig und organisierten mit Hilfe einer weltweiten Vernetzung von Investigativjournalist*innen die Auswertung der immensen Datenmenge. Der whistleblower hat offensichtlich Zugriff auf die Rechner der lawfirm MossackFonseca mit Hauptsitz in Panama-City, die weltweit ihre Dienste anbietet, um das oftmals unrecht erworbene Vermögen ihrer Klienten hinter firewalls zu verstecken. Aus den Daten geht klar hervor, dass dies in vielen Fällen mit nicht nicht unerheblicher krimineller Energie geschieht. Und die Kundschaft ist vielfältig: Putin-Freunde, FIFA-Funktionäre, CEO`s, bekannte Fußballer, Ministerpräsidenten demokratischer Staaten, aber auch Diktatoren aller Coleur.
- „Lucky Luke. Fast alles über den (nicht gar so) einsamen Cowboy und seinen Wilden Westen“ In diesem neuen Band von Bertz + Fischer werden alle, aber auch wirklich alle Lucky Luke Alben kurz inhaltlich vorgestellt. Darüber hinaus erklärt Georg Seeßlen sowohl die Vielzahl von Anspielungen, als auch die nachgezeichneten Personen aus Filmen. Der Stil der kongenialen Lucky Luke Autoren Morris und René Goscinny und ihre historische Genauigkeit bezüglich vieler Ereignisse im Wilden Westen werden ebenso erwähnt, wie die vielen realen Persönlichkeiten aus dieser Zeit: die Daltons, Billy the kid, Jesse James, Calamity Jane u.v.m.
- In „Birobidschan“ erzählt Tomer Dotan-Dreyfus die so unwahrscheinliche wie charmante Geschichte eines jüdisch-sozialistischen Schtetls in Sibirien und knüpft damit an die jiddische Erzähltradition und den magischen Realismus an. Ein gewitzter Debütroman, eigenwillig und voller Fabulierlust. (Voland & Quist)
- Und ganz zum Schluß sagen wir „Bella Ciao“: Alle kennen es – aber die Geschichte dahinter ist lesenswert: „Bella Ciao. Auf den Spuren eines Partisanenliedes“ (Verlag Edition AV)